Hat er nämlich die letzten Häuser von Gatow hinter sich gelassen, dehnen sich große Ackerflächen am Waldrand aus, je nach Jahreszeit gerade bepflanzt mit leuchtend gelben Sonnenblumen oder wogenden Weizenfeldern oder mit langen Erdbeerreihen zum Selberpflücken. Landwirtschaft in der Großstadt. Daran schließen sich rechts und links die Ausläufer des Gatower Forstes an. Immer noch kein Kladow.
Dafür Wald. Das Ortsteilschild am Breitehornweg wird leicht übersehen. Immer noch keine Spuren von Wohnbebauung. Wenn im Herbst oder Frühjahr Raureif auf die blätterlosen Äste der sich über der Straße berührenden Bäume legt und das Licht der aufgehenden Sonne sich vielfach in gefrorenen Tropfen bricht, scheint man durch einen Tunnel zu fahren, dessen Himmel aus glitzernden Perlen besteht. Das weckt Erwartungen an das, was sich hinter diesem “Tunnel” auftut.
Als 1924 die ABOAG – die Vorgängerin der BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) – die erste regelmäßige Buslinie von Spandau nach Kladow einrichten wollte, blieben die ersten Fahrzeuge wegen der miserablen Wegeverhältnisse mit Achsbruch auf der Strecke. Es war günstiger und gefahrloser, Kladow per Boot oder Schiff über das Wasser zu erreichen. Diese Empfehlung gaben damals Kladows Neuansiedler ihren Besuchern von außerhalb.
Kladow – ganz weit draußen. Für die einen unzumutbar weit von dem pulsierenden Großstadtleben entfernt, das aber für die meisten Kladower zugleich Arbeitsstätte bedeutet, für die anderen gerade deshalb geliebter Wohnort, Refugium, in dessen anscheinender Beschaulichkeit – manche sagen sogar Idylle – der Lebensnerv wieder Kraft und Energie aufladen kann.
“Cladow – die Perle des Osthavellandes”. 1924 wehrten sich die Cladower Bürger in einem “Notschrei” mit diesem Slogan gegen die Eingemeindung in Groß-Berlin. Die Lager der Gegner und Befürworter gingen mitten durch das Dorf. Die Befürworter wurden von Pfarrer Herrmann angeführt, die Gegner von Lehrer Lemme. Was uns heute wie eine dörfliche Posse vorkommt, erhitzte damals die Gemüter der Cladower auf das Heftigste. Aber die heißen Debatten, Resolutionen und Eingaben der Dörfler und die verzweifelten Proteste des Kreises Osthavelland fruchteten nichts. Groß-Berlin war beschlossene Sache und griff Raum.
1930 nahm man dem Dorf auch das “C” im Namen, von nun an hieß es offiziell “Kladow”.